Manchmal führt uns das planlose Schlendern dorthin, wo das Leben seine kostbarsten Schätze verborgen hat – ganz ohne Ziel, aber nie ohne Sinn. So erging es uns heute, aber alles der Reihe nach.
Heute waren starke Winde angesagt. So sollte in Böen bis 74 km / Std. daher brausen. Wir wählten deshalb einen kürzeren Abschnitt von Hannover nach Wunstorf zum Yachthafen Idensen Rademacher.
Wie so oft nach dem Wochenende sind nur wenige Frachter unterwegs. Ich erkläre mir das so, dass sie am Wochenende noch zum Zielort gefahren sind, um die Ladung zu löschen oder neue aufzunehmen.
Unterwegs trafen wir zwar den einen oder anderen Frachter, oder einen Schuber, der wohl noch einen Leichter sucht.
Das laue Lüftchen vom Morgen hatte kräftig zugelegt. Der Gegenwind machte gut einen Stundenkilometer weniger Geschwindigkeit aus, wenn er frontal oder bis 45 ° von der Fahrtrichtung abwich. Wir kamen aber gut voran und bald schon sah ich in der Ferne Regen aufziehen. Die Bilder unterscheiden sich kaum von denen, die ich aus den Bergen kenne. Der Schleier, der durch Regen entsteht, hat eine unverkennbare Marke. Bald regnete es auch bei uns kräftig, deshalb Scheibenwischer an. Anfangs funktionierten alle drei, dann fiel plötzlich der in der Mitte aus. Ich versuchte ihn zu reparieren, was im ersten Anlauf nicht gelang. Dann putzte ich nochmals den Stecker. Da es zu regnen aufhörte, kletterte Brigitte aufs Dach und putzte die Scheibe mit dem Schaber. Ich versuchte es nochmal mit Elektrizität und siehe da, der Scheibenwischer funktioniert wieder.
Bald erreichten wir den Zielhafen. Dort kann das Tor mit einer Telefonnummer ausgelöst werden, wobei ebenfalls darauf zu achten ist, dass gerade keine Frachter vorbei fahren. Es klappte bestens.
Wir suchten einen freien Platz und machten fest. Es gab immer wieder kurze Regengüsse, als ob sie unser Regenwasser-Ableitungssystem testen wollten.
Schliesslich klarte es auf und wir beschlossen, noch im Dorf Idensen spazieren zu gehen. Wir entdeckten eine Lutherianische Kirche, die aber verschlossen war. Ein paar Schritte weiter sahen wir einen Kirchturm einer sehr alten Kirche. Mal schauen, ob es da was zu sehen gäbe.
Wir staunten nicht schlecht und traten in die Sigwardskirche ein. Sie gilt als eine der bedeutendsten romanischen Kleinbauten des 12. Jahrhunderts in Deutschland und eine von wenigen Kirchen in Europa,die noch die Originalfarben aus der Romanik zeigen.
Bischhof Sigward liess sie während seiner Amtszeit (1120 -1140) als Hofkapelle resp. Eigenkirche und Grablege bauen. Die reinen Formelemente der Frühromantik sind unzerstört und unverfälscht.
Maler, wahrscheinlich aus Frankreich und / oder Italien, haben damals für die künstlerische Gestaltung des Innenraums gesorgt, die heute den eigentlichen Schatz der Kirche darstellt.
Im ersten Stock – da sind wir wieder beim eingangs geschilderten Gedanken – erreichbar über eine stark ausgetretene Originaltreppe, hat Laila Sahrai kunstvolle Gemälde ausgestellt. Die im Kirchenschiff verwendeten Farben sind immer noch imponierend. Die besonders üppige Verwendung der Farbe Blau fällt auf. Das Ultramarin auf der Basis von Lapislazuli war so teuer wie Gold. Bischof Sigward liess diese Farbe sehr ausgiebig verwenden. Zur damaligen Zeit wurde Lapislazuli ausschliesslich in Afghanistan abgebaut und über die Seidenstrasse bis nach Idensen gebracht.
„Die Frage der Herkuft“ ergab dann auch die Idee der Künstlerin mit afghanischen Wurzeln, in einer deutschen Kirche den ungewöhnlichen Kontext zu visualisieren und gleichzeitig Raum, Zeit und gesellschaftliche Konstrukte zu verbinden und Schranken zu überwinden.
Der Wunsch der Künstlerin besteht darin, eine ästhetische Brücke zu schaffen, auf der sich Kulturen jenseits aller politischen, religiösen und sozialen Unstimmigkeiten näher kommen und verständigen können.
Lassen wir die Bilder wirken und mögen ihre Wünsche fruchtbaren Boden finden.
Nach dem Spaziergang meldeten wir uns beim Hafenmeister, der gleichzeitig das Restaurant Schatzinsel führt, und bezahlten unseren Obulus.
Nach einem feinen Nachtessen bewunderten wir die vielfältige Magerwiese mit einem Blumenteppich, der nicht nur Hummelaugen erfreut.
Auch die Taranaki zeigte sich nach dem Regen und dem Sonnenschein in einem neuen Licht. Der Hafen liegt ausserordentlich schön, ist zweckmässig eingerichtet und verfügt über eine grosszügige Infrastruktur. Der Starkwind, der unsere Haare verstrubelte (mindestens die von Brigitte, bei meinen besteht die Gefahr viel weniger), sei untypisch hier. Das meinte ein Ortsansässiger.