Heute fuhren wir um ca. neun Uhr los, oder besser gesagt, wollten losfahren. Beim Wenden der Taranaki wickelte ich kontinuierlich zähes Seegras um die Welle, weshalb ich praktisch keinen Vortrieb mehr produzieren konnte. Ich schaffte es gerade noch, den letzten Poller anzusteuern und die Maschine abzustellen.

Ich versuchte, ohne nass zu werden, das Problem in den Griff zu kriegen. Unter dem Bett in der Kajüte hat die Taranaki einen Schacht, mit dem man die Schiffsschraube sehen könnte. Aber dort dann auch noch Seegras zu entfernen, ist kaum möglich.

Deshalb kam ich zu meinem ersten Taucheinsatz. Badehose an, ins Wasser steigen (es war nicht sonderlich kalt), Schwimmbrille aufsetzen und mal schauen gehen, was da unter dem Schiff los ist. Ich konnte bereits beim ersten Mal eine Menge Gras abreisen. Es brauchte dann etwa sieben Tauchgänge plus das Sägemesser, das mir André auslieh, dann war die Welle wieder frei.

André fuhr mit der Linna, die bei uns angelegt hatte, voraus. Ich wollte hinterher, aber obschon der Propeller wieder Wirkung zeigte, kam ich nicht vom Fleck. Beim Anlegen war ich offenbar aufgelaufen.

Ich versuchte mit Wippen die Taranaki zu befreien. André befreite uns dann mit der Linna aus der misslichen Lage.

Daraufhin konnten wir unsere Fahrt problemlos fortsetzen. Es war fast eine Geisterfahrt, unterwegs sahen wir keine Sportboote und nur sehr wenige Frachter in Fahrt.

Lille verfügt über einen eindrücklichen Hafen, der sich über mehrere Kilometer erstreckt.

Schliesslich erreichten wir unseren Zielhafen in Wambrechies. So toll, wie er auf dem Video aussieht, ist er eigentlich nicht. Im hinteren Teil, der Quaimauer entlang, hatte es freie Plätze. André fuhr mit der Linna hinein, drehte aber sofort wieder um: Unsere Schiffe haben einen zu hohen Tiefgang. So versuchten wir es unterhalb der Brücke. Dort hatte es knapp zwei Plätze. André legte an und er und Brigitta zogen ihre Linna soweit als möglich nach vorne. Dann hatten wir mit der Taranaki ebenfalls knapp Platz. Dank der Mithilfe von André und Brigitta konnten auch wir unser Schiff vertäuen.

Das folgende Video der Stadtverwaltung zeigt einen netten kleinen Jachthafen, in dem wir anlegten.

Der Eindruck des Films täuscht gewaltig. Die Wassertiefe entlang der Kaimauer ist bescheiden und für uns unzureichend. Die vertäuten Schiffe sind bis auf drei Plätze dauernd vermietet. Für die drei Passantenliegeplätze unterhalb der Brücke gibt es zwei Steckdosen. Da das hinterste Schiff vor uns festgemacht hatte, wechselten André und ich im 12 Std.-Takt den Strombezug ab.

Das schöne Trämli ist stillgelegt. Das Video im Internet täuscht etwas vor, das leider nicht mehr ist.

Ein Dauermieter rief den Hafenmeister an, der sich jedoch nicht zeigte. Im Internet wird gesagt, die Capitainerie sei täglich geöffnet. Das glauben wir nicht. Immerhin hat uns ein netter Herr aus dem Büro des VNF die Telefonnummern bestätigt, auf die Brigitte erfolglos versucht hat anzurufen. Ausser der Combox geschieht dort nichts.

Wir bleiben bis Montag und werden sehen, wie sich der Service entwickelt. Positiv: Der Kehricht wird separiert gesammelt.

Epilog: Der Hafenmeister war krank und am Folgetag meldete er sich. Er war sehr zuvorkommend und erlaubte uns, eine „besetzte“ Steckdose zu benutzen. Das Bähnli musste aus finanziellen Gründen ausser Betrieb genommen werden. Es wurde viel zu wenig benutzt, so dass es nicht mehr tragbar war. Es wird zwar Geld gesammelt, aber ich glaube kaum, dass es je wieder in Betrieb genommen wurde. Vor zwei Jahren sei es noch gefahren, sagte uns Dominique, der sehr sympathische Franzose am Ende des Quais.

Wir haben oft mit Rachel und eben Dominique über das Schifffahren gesprochen. Sie verlassen Frankreich aber nie, weil sie in Belgien keine Chance hätten, verstanden zu werden. Die sprechen aber eigentlich gut Französisch. Einmal mehr stossen wir auf Ressentiments hüben und drüben.

Dominique ist aus der Region von Lille und Rachel kommt aus der Ardèche. Wir haben uns glänzend verstanden.

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