Heute morgen hiess es um ungefährt neun Uhr „Leinen los“ und wir fuhren gegen Belgien zu. Nach einer relativ kurzen Strecke nach dem Hafen erreichten wir die Schleusen Lanaye. Es gibt noch Schleusen mit höherem Hub in Belgien, doch ist Lanaye schon eine beachtliche.

Wie auf dem dem Luftbild1 nachvollziehbar gibt es vier Schleusenkammern. Die zwei ganz links sind seit Jahren ausser Betrieb und werden wohl nie mehr in Betrieb gehen. Sie waren für Sportboote gedacht, aber heute schleusen Sportboote mit den Cargos.

Die Schleuse 3 ist eine kürzere, in der Cargos und Sportboote gut Platz finden. Ganz rechts ist die grosse Schleuse, die dann mehrere grosse Cargos aufnehmen kann. Um Wasser und Energie zu sparen wird mit der kleinst möglichen Schleuse gearbeitet, was von Fall zu Fall entschieden wird.

Als wir die Schleuse erreichten, wäre die Einfahrt noch möglich gewesen, wir aber zu weit weg. So warteten wir, bis sich eine Gelegenheit zum Schleusen bieten würde. Brigitte wies mich darauf hin, dass wir jetzt Zeit hätten, auf der Steuerbordseite die Belgienflagge zu setzen.

Dann erschien auf dem Kartenplotter ein Passagierschiff, das regelmässig von Maastricht nach Liège fährt und am Abend die Gäste wieder zurück bringt. Nach der Einfahrt schlängelten wir uns am Passagierschiff vorbei in die Schleuse. Sie ist mit Schwimmpollern versehen, was das Schleusen sehr bequem gestaltet.

Unterwegs nach Liège gibt es zwei Abzweiger: Eine ist der Kanaal van Haccout naar Wezet, der in die Maas mündet und bergwärts befahren werden kann. Zu Beginn des Kanaals gibt es eine Schleuse und am Ende ebenfalls, wo die Maas wieder verlassen wird. Einmal talwärts und einmal bergwärts schleusen, der Umweg lohnt sich schlecht, umso mehr bei der Schleuse Monsin Schiffe kleiner 3.65 Breite nur mit Cargos geschleust werden. Deshalb fahren wir lieber im Albert-Kanaal.

Unterwegs treffen wir auf Industrieruinen, wie sie in Belgien mehrfach anzutreffen sind. Es sind Orte, wo der Schlüssel gedreht und alles liegen gelassen wurde. Die Natur holt sich das Gelände nach und nach zurück, wie die Bilder zeigen.

Beim letzten Bild meinen wir, der Mystery Park in Interlaken habe sich einer Vorlage in Belgien bedient.

Hier noch ein Vergleichsbild, das unsere These untermauern könnte. Was oder wer wohl in der grünen Kuppel sass, als die Anlagen noch in Betrieb waren?

Beim letzten Besuch fuhren wir vor Lüttich an einer stinkenden Anlage vorbei, die Abfall aufbereitete. Heute sehen die Anlagen modern und aufgeräumt aus und produzieren Biogase. Die Geruchsnerven strapazierenden Immissionen wurden auf ein Minimum beschränkt.

Nach dem Zafaraia von Liège fuhren wir an einem grossen Holzlager vorbei.

Holzexporte sind wieder lukrativ geworden.

Schliesslich erreichten wir ein Wahrzeichen von Liège, das allen Skippern bekannt ist: Das Mémorial Albert 1er. Der funktionierende Leuchtturm macht für die Schiffahrt wenig Sinn. Trotzdem wurde er vor einigen Jahren renoviert und kündet die Stadt Liège an oder grüsst zum Abschied.

Die Maas wird in Liège von zahlreichen Rundbogenbrücken überspannt. Mit unserem Mast sind wir gut beraten, unter der Brücke die höchste Durchfahrt zu suchen. Dabei ist vor- und nachher auf Cargos Acht zu geben, die immer Vortritt haben und auch diese Mitte suchen.

Kurz nach dieser Brücke liegt der Stadthafen. Er war früher etwas in Verruf geraten. Wir können aber nur rühmen. Zwischen 15:00 und 18:00 Uhr ist La Capitainerie besetzt. Die angegebene Telefonnummer führt zu einem Anrufbeantworter, der den Austrittscode bekannt gibt. Die sanitarischen Anlagen sind sauber und in gutem Zustand. Die elektrischen Anlagen sind neu erstellt und Wasser kann ebenfalls bezogen werden.

Entsprechend zufrieden ist der Skipper wie auch Brigitte mit dem kleinen aber feinen Hafen.

Beim Hafeneingang turnt ein Turmspringer über die Maas, bereit, jederzeit in die Tiefe zu springen. Den habe ich heute zum ersten Mal gesehen.

Auf den ersten Blick ist die Stadt modern und geniesst viel Charme. In einem Restaurant kamen wir mit einer ortsansässigen Frau ins Gespräch. Sie sagte, insgesamt habe die Stadt eine bedenkliche Entwicklung durchgemacht. Oft werde viel Geld für unnütze Dinge ausgegeben. Statt zu arbeiten gebe es viele bettelnde Menschen, weil damit ein Überleben ohne grosse Mühe möglich sei. Es gebe auch Lichtblicke: In einem Quartier hätten junge Künstler begonnen, kleine Läden neu zu beleben und das Quartier habe viel Lebensqualität dazugewonnen.

Am schlimmsten sei jedoch die Korruption: Es kämen immer wieder Fälle ans Licht, aber keiner der Verurteilten habe bisher etwas vom unrechtsmässig erworbenen Reichtum zurückgegeben.

Nach dem interessanten Einblick in die belgische Gefühlswelt gingen wir noch einkaufen. In einer Bäckerei, es ging schon gegen 17:00 Uhr, erhielten wir gleich zwei Bagettes zum Preis von einem.

Dabei besuchten wir noch kurz die Kathedrale, die sehr schöne Kirchenfenster beherbergt. Trotz der Pracht, die aus vergangenen Zeiten stammt, hat die Kirche wohl zu wenig Geld, ihre Schätze vor dem Verfall zu bewahren. Insbesondere die Fresken hätten etwas nötig.

Schliesslich kehrten wir zum Schiff zurück, das bereit zur Abfahrt vor dem Anlegen noch gewendet wurde.


1 Quelle: https://www.paysdeherve.be/de/details/ALD-0E-01WX-0001&type=11

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